Im Schatten der Übermarke

27. November 2011

Wer an Sport denkt, denkt an Fußball. Wer an Fußball denkt, denkt an den  FC Bayern.
Wer an Deutschland denkt, denkt an Bayern. Wer an Bayern denkt, denkt an München. Und wer an München denkt, der denkt an? Richtig, den FC Bayern.

Hinter diesen Aussagen verbirgt sich aber wesentlich mehr, als es diese Aneinanderreihung vermuten lässt. So gut der FC Bayern dem Fußball tut, so wichtig er für unser sportliches Ansehen in der Welt ist und so erfolgreich er auch sein mag: Hinter diesem Verein, dieser Marke kann viel verloren gehen.

Was ich damit meine bzw. worauf ich hinaus will? Andere Vereine haben es schwer. Erst kommen die Bayern und dann lange nichts – so die öffentliche Wahrnehmung. Zu Recht! Der Verein wird und wurde hervorragend geführt und zu einer der besten Sportadressen der Welt. Da haben es die 60er (2. Liga) oder Unterhaching (3. Liga) schon weitaus schwerer. Aber immerhin können sie noch von König Fußball zehren. Was aber ist mit anderen Sportarten?

Das müssen sich auch die – na? klar! – Bayern gedacht haben und dabei ihren Blick auf Basketball gerichtet (man „unterstellt“ Uli Hoeneß gar den Basketball retten bzw. zum Aufschwung verhelfen zu wollen). Mit eifrigem Einsatz, dem nötigen Sachverstand gepaart mit gutem finanziellen Background wurde eine Mannschaft geformt die über kurz oder lang in Deutschland vorn dabei sein und auch international von sich reden machen wird. Nicht umsonst kreiste im Zuge des Lockouts der NBA der Name Nowitzki regelmäßig durch die hiesigen Gazetten.

Worauf ich hinaus will? Wieder diese Bayern! Kommen, sahen, werden siegen.

Dass man es auch ohne eine bekannte Marke, ohne des deutschen liebsten Sport schaffen will und schaffen kann, zeigt das Beispiel des EHC München.

Ja, Eishockey. In Deutschland. Regelmäßig zu den Highlights (WM, Olympische & Paralympische Spiele) erleben Sportarten wie Handball, Basketball und eben auch Eishockey bei Erfolg Kurz-Zeit-Booms. Oder aber man hat das Großereignis im eigenen Land wie 2010 u.a. mit dem Rekordspiel in der Arena „Auf Schalke“.

Auf lange Sicht haben diese Veranstaltungen leider keinen bleibenden Einfluss / Eindruck hinterlassen. Die Ligen neben der DFL kämpfen unter einander um die Partner und Sponsoren und die jeweiligen Teams ebenfalls um ihre finanziellen Unterstützer. Wenn man dann noch im Schatten eines Vereins steht, wird es nicht leichter.

München als Stadt ist beliebt, München hat je nach Jahreszeit und Wochentag ca. 1,8 Millionen Einwohner und einen Einzugskreis von noch einmal nahezu der gleichen Größe. Diese Menschen bekommen in München auch einiges geboten – vor allem auch im Sport.

Eishockey mit seiner Historie in Bayern und auch starken Verbreitung im Alpenvorland hat Potentiale, die der EHC versucht zu nutzen. Immer in der Situation gegen Fußball, Basketball und direkte Konkurrenten aus Augsburg, Straubing oder Iserlohn zu „kämpfen“.

Was aber dieser Verein in den letzten 2 Jahren auf die Beine gestellt hat, was sie vor allem auch in diesem Jahr wieder geschafft und noch vorhaben, ist bemerkenswert. Dabei haben sie teilweise aus verschiedenen Notlagen Tugenden gemacht und Kooperationen geschlossen, die zu Vorteilen für die verschiedenen Seiten wurden.

Im Zuge der Bewerbung um die Winterspiele 2018 wurde über die gesamte Dauer hinweg eine fruchtbare Zusammenarbeit mit der Bewerbungsgesellschaft gepflegt, von der beide Seiten profitiert haben. Auf der einen Seite konnte man sich selber als begeisterter Wintersportverein zeigen und auf der anderen Seite die Nähe zum Sport, zu den Athleten veranschaulicht werden. Da gab es ein Allstar-Spiel mit Legenden aus dem Eishockey-Sport, Spieler wurden im Rahmen von Veranstaltungen von München 2018 eingesetzt und sogar die Trainer waren begeisterte Botschafter der Olympischen und Paralympischen Idee.

Die mediale Präsenz des Vereins wurde durch strategische Partnerschaften sukzessive erhöht und – getragen vom sportlichen Erfolg mit der Pre-Playoff Teilnahme in der 1. DEL Saison – gelang dem EHC auch der Sprung zurück auf die Landkarte des deutschen Eishockey. Durch langfristige Kooperationen mit starken Medienpartnern ist die Basis für eine rege Wahrnehmung in der Öffentlichkeit geschaffen. Gepaart mit konstanten und konstruktiven Partnerschaften in der Wirtschaft kann auf soliden Grundpfeilern weiter gebaut werden.

Die neue Saison begann dennoch mit einigen Herausforderungen, die das Team auf und neben dem Eis stark gefordert haben. Im Fokus stand die Suche  nach einem Hauptsponsor bzw. Trikotsponsor des Vereins. Namhafte Partner konnten für die neue Saison gewonnen werden, aber für ein Sponsoringengagement in der ersten Reihe war scheinbar niemand bereit dementsprechend in die Tasche zu greifen.

Daneben gab es zu Beginn der Saison Proteste der Fans gegen die neuen Trikots des Vereins. Die Farbgebung entsprach nicht den Vorstellungen des eigenen Anhangs, was dieser auch zum Anlass nahm, um vor einem Heimspiel den Protest in die Choreographie miteinzubauen („Unsere Farben sind Blau-Weiß“).

Für die Vorbereitung auf die neue Saison wurden eigene Trikots entworfen, welche auch das Fanherz höher schlagen ließen. Diese waren im klassischen NHL-Stil gehalten und hatten quer über die Brust einen „München“-Schriftzug – daher wären sie nicht für die reguläre Saison geeignet gwesen.

Aus der „Not“ keinen Brustsponsor und die Fans aufgebracht zu haben, wurde auf die Trikots aus der Pre-Season zurückgegriffen. Ein optisches Highlight in der DEL – oftmals sind die Vereinsfarben hinter all den Werbeflächen und Logos kaum noch zu erkennen. Der EHC hingegen präsentiert sich mit seinen Trikots in jedem Fall modisch titelreif.

Eine ähnliche Idee wurde wenig später im eigenen Stadion umgesetzt. Wo bei den meisten Vereinen in der Mitte ein riesiges Sponsoren Logo prangt, hat der EHC sein Logo unter das Eis gebracht. Natürlich gehen damit auch finanzielle Lücken einher. Jedoch werden diese zumindest nach außen kreativ geschlossen. Klar ist aber auch: sobald sich ein zahlungskräftiger Sponsor findet, wird auch diese Umsetzung von Eishockeyliebe weichen müssen. So lange aber können sich die Fans des Vereins und auch die Verantwortlichen über Lob aus vielen Richtungen freuen – nicht wenigen Eishockeybegeisterten Zuschauern ist die Werbeüberfrachtung ein Graus im Auge. Aber Geld lindert ja oftmals das „Leid“.

Überhaupt: Der EHC ist seit jeher ein Verein, der sich als familiär, authentisch und sympathisch zeigt. Keine Allüren, kein Größenwahn, der Fokus auf eine dynamische Weiterentwicklung und großen Zusammenhalt im Verein und mit seinen Anhängern.

Für viele klassische Sponsoringziele und Themen, die ein Unternehmen mit Engagements im Sport verfolgt, ist dieser Verein geeignet.

Aber: neben der mangelnden Berichterstattung über Eishockey (Zitat ehem. Dozent „es gibt Fußball und andere Randsportarten“) in den Medien bleibt das Engagement, die gute Arbeit, der Erfolg und der Fit für Unternehmen oftmals im Schatten des großen FC Bayern.

Ein passendes Beispiel dafür ist sicherlich das Engagement der BayWa AG bei den Basketballern des FCB. Nach einem erfolgreichen Engagement im Rahmen der Bewerbung Münchens um die WInterspiele 2018 wollte man das eigene Engagement im Sport fortführen. Anstatt den Weg weiter zu gehen und im Wintersport anzuknüpfen, war die Marke FC Bayern München und die damit verbundene größere öffentliche Wahrnehmung verlockender als die offensichtliche und sinnvolle Fortführung des Sportsponsorings im Bereich Wintersport.

Die Frage die sich mir stellt, ist: Wie werden Vereine und auch ganze Sportarten auf Dauer in Deutschland überleben können? Natürlich ist es keine Neuigkeit, dass Fußball viel Geld abgräbt und in den Medien die Nummer 1 Sportart ist.
Wie aber können andere Sportarten und demzufolge andere Vereine sich weiterhin stärken und voran bringen?

Klare Marken und damit verbundene Positionierungen sowie die verstärkte Nutzung von eigenen Kommunikationsinstrumenten bieten enorme Potenziale. Die eigene Geschichte schaffen, verbreiten und interessant gestalten um den medialen Rückstand aus eigener Kraft aufzuholen kann die Lösung sein.

Man wird nie gleichbedeutend mit Fußball sein, aber man kann durch prägnante Werte und Attribute Nischen füllen und eigene Plattformen bilden. Themen wie Fannähe und die direkte Kommunikation mit den Zuschauern sind von kleineren Sportarten leichter umzusetzen und meiner Meinung nach die großen Trumpfkarten im Vergleich zu König Fußball. Diese Karte zu spielen und sie auch potentiellen Partnern klar zu machen, wird wohl eine der wichtigsten Aufgaben in Zukunft sein.

Denn: auch im Schatten können Pflanzen gedeihen – mit ihren eigenen, unverwechselbaren Eigenschaften.

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Links zum Artikel:

http://www.ehc-muenchen.de

http://www.fcb-basketball.de

http://www.pilot.de/presse/pilot_praesentiert_sponsor_visions – Studie zum Thema Sponsoring und Potentialen